Bienenwinterthur Bezirk Winterthur

Durchbruch beim Verständnis der Bienenschädlichkeit von Pestiziden

<< Zurück Mittwoch den 20.06.2018

Pestizide aus der Wirkstoffklasse der Neonikotinoide waren in der Vergangenheit wegen ihrer Gefährlichkeit für bestäubende Insekten wie Bienen und Hummeln vielfach in der Presse. Nachdem verschiedene Wirkstoffe in der EU verboten sind und auch ein Totalverbot nicht ganz ausgeschlossen wird, kommt es für die Chemiehersteller darauf an, möglichst rasch Pestizide zu entwickeln, die auf die unverzichtbaren Bestäuber nicht giftig wirken. Eine Forschergruppe hat hier durch die Finanzierung der Bayer AG einen deutlichen Fortschritt erzielt.

 
Bild: Pixabay

Die Bayer AG ist einer der grossen Hersteller von Neonikotinoiden. Sie hat deshalb ein grosses Interesse daran, herauszufinden, weshalb Bienen und Hummeln in der Praxis stark unterschiedlich auf verschiedene Pestizide dieser Wirkstoffklasse reagieren.

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit der Universität Exeter und Rothamsted Research wurden jetzt Enzyme entdeckt, die in Honigbienen und Hummeln festlegen, wie empfindlich sie auf unterschiedliche Neonikotinoide reagieren.
Wie in allen Organismen, sind auch bei Bienen Enzyme unter anderem dafür da, Giftstoffe abzubauen.
Die Studie im Forschungsjournal "Current Biology" konnte jetzt eine Untergruppe an Enzymen identifizieren, die einige Neonikotinoide besonders effektiv abbaut und auf den Namen "CYP9Q" hört. Die sogenannten "Cytochrome P450" aus dieser Untergruppe sind Proteine mit enzymatischer Aktivität, die auch beim Menschen vorkommen.
Die Forschungsgruppe führte für dieses Projekt die umfangreichste Untersuchung dieser Enzyme durch, die jemals unternommen wurde.

Mit dem Wissen um diese Schlüssel-Enzyme können jetzt neue Wirkstoffe frühzeitig darauf untersucht werden, wie gut sie durch Bienen und Hummeln abgebaut werden können.
Allerdings ist auch auf diesem Weg nicht kurzfristig mit Lösungen zu rechnen. Es kann leicht zehn Jahre und Hunderte Millionen an Entwicklungskosten verschlingen, um neue Wirkstoffe zu erforschen.
Mit der neuen Untersuchungsmethode sollte es aber möglich sein, identifizierte Wirkstoffe schon in einer frühen Phase der Forschung auszuschliessen, anstatt erst Verträglichkeitstests durchzuführen, wenn das Zulassungsverfahren eines Produktes bereits läuft. 

Zum Beispiel wäre es durch dieses Wissen auch möglich, bestimmte Kreuzwirkungen unterschiedlicher Produkte vorherzusagen. Wenn zum Beispiel ein Fungizid die Schlüsselsysteme zum Abbau von Pestiziden bei Bienen stört, dann mag das Pestizid alleine nicht schädlich sein, es kommt aber in Kombination mit dem Fungizid zu Vergiftungserscheinungen.
Solche Kreuzwirkungen waren im Rahmen bisheriger Zulassungsprüfungen überhaupt nicht relevant. Hersteller konnten sich dann darauf zurückziehen, dass ihr einzelnes Pestizid nicht bienengefährlich sei.
Hier hat das Forschungsergebnis vielleicht Signal- und Vorbildwirkung für die Hersteller, ihren kleinen Untersuchungsbereich künftig zu erweitern und von Anfang an weiter zu denken.

Die neuen Erkenntnisse über die Mechanismen, durch die Bienen mit diesen Giften fertig werden, sind deshalb auf jeden Fall als bedeutender Durchbruch zu werten. Das Wissen darüber, was Produkte bienensicher und was bienengefährlich macht, wurde damit deutlich ausgebaut. Es handelt sich deshalb um einen klaren Fortschritt auf dem Weg zu für Bienen ungefährlichen Pestiziden.


Mehr dazu...
- Forschungsartikel "Unravelling the Molecular Determinants of Bee Sensitivity to Neonicotinoid Insecticides" In: Current Biology, Volume 28, Issue 7, 2 April 2018, Pages 1137-1143.e5
  (Cristina Manjon, Bartlomiej J.Troczka, Marion Zaworra, Katherine Beadle et al)