Bienenwinterthur Bezirk Winterthur

Kommt er, oder kommt er nicht?

<< Zurück Montag den 13.08.2018

Seit Jahren sehen wir den unsympathischen Gesellen, der binnen wenigen Tagen grosse Schäden anrichten kann, wie er sich langsam auf uns zu bewegt. Bis Ende 2015 waren bis zu 61 Bienenstände in Kalabrien und Sizilien vom Kleinen Beutenkäfer befallen. Glücklicherweise scheinen bisher keine weiteren Fälle aufgetreten zu sein. - Was passiert, wenn der Kleine Beutenkäfer uns erreicht hat?

 
Foto: Bienengesundheitsdienst


Nein, hier sollen keine Katastrophenmeldungen verbreitet werden. Aber vor Gefahren, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit irgendwann eintreten, sollte man nicht die Augen verschliessen. Hilfreich wäre es deshalb, sich ohne Hektik, aber gezielt, auf das vorhersehbare Auftreten einer möglichen Gefahr einzurichten.

Ich möchte deshalb hier einmal kurz "trocken" durchspielen, wie das Szenario "Kleiner Beutenkäfer in Winterthur" aussehen könnte und welche Situationen auf den Imker zukommen könnten. Weil die Betonung dabei auf "realistisch" liegen soll, greifen wir auf bekannte und beschaffbare Informationen zurück.

Was kaum bekannt ist: Das Veterinäramt ist auf den "Ernstfall", den "Kleinen Beutenkäfer" mindestens insofern vorbereitet, als die gesetzlichen Grundlagen und Verordnungen bereits an die potenzielle Gefahr angepasst sind.
Die aktuell gültige Tierseuchenverordnung zum Beispiel enthält schon seit der Ausgabe 1. April 2015 eine Klassifizierung des Schädlings. 
In Art. 4 wird der "Kleine Beutenkäfer" hier unter die "zu bekämpfenden Seuchen" eingeordnet, ähnlich wie die Sauerbrut und die Faulbrut. Das hat Auswirkungen darauf, wie die Behörden bei einem Befall vorgehen werden.

Doch was erwartet den Imker nun konkret, wenn er einen Befall des Kleinen Beutenkäfers an seinem Bienenstand erkennt?

Das geplante Vorgehen ist in den Technischen Weisungen "Massnahmen bei Befall mit dem Kleinen Beutenkäfer (Aethina tumida)" des BLV vom 31.3.2015 festgehalten.

Dass man den Kleinen Beutenkäfer beim Veterinäramt relativ ernst nimmt, zeigt sich daran, dass er in der Tierseuchenverordnung einen eigenen "17. Abschnitt Befall mit dem Kleinen Beutenkäfer (Aethina thumida)" erhalten hat.
Es ist deshalb damit zu rechnen, dass die geplanten Massnahmen der Behörden im Ernstfall rasch vorgenommen und konsequent durchgeführt werden.

Meldepflicht und Folgen
Zunächst wird auch für den Schädling aus der Familie der Glanzkäfer die übliche Meldepflicht wie bei anderen Seuchen gelten: "Bienenseuchen oder der Verdacht auf solche sind dem Bieneninspektor zu melden" (Tierseuchenverordnung, Art.61, Absatz 3).

Bereits, wenn nur ein Verdacht aufgetreten ist, dann sind bereits erste Massnahmen zu erwarten.
Der Kantonstierarzt wird zunächst ein Verkehrsverbot für betroffene Bienenvölker, gebrauchtes Imkereimaterial, aber auch vorhandenen Wabenhonig verhängen. Diese Materialien dürfen den Bienenstand keinesfalls mehr verlassen. Erst, wenn zweifelsfrei geklärt ist, dass es sich nicht um den Beutenkäfer handelt, kann der Kantonstierarzt die Sperrmassnahmen wieder aufheben.

Wird aber ein Seuchenfall definitiv festgestellt, dann wird es ernst:
Der Kantonstierarzt kann (und wird) anordnen, dass die betroffenen Bienenvölker unverzüglich vernichtet werden müssen. Das gebrauchte Imkereimaterial und Werkzeuge, die mit dem Beutenkäfer in Berührung gekommen sind, müssen nach den Anweisungen des Kantonstierarztes unverzüglich "vernichtet oder gereinigt und entseucht werden".
Anhang 3 der "Technischen Weisung" regelt im Detail, was genau zu vernichten ist: Trennschied, Deckbrett, Futtertrog, Isolationsmaterial, Wabenrahmen, Abspergitter mit Holzrahmen, sämtliches Wabenmaterial, Zuchtmaterial, Begattungskästchen, Schwarmkisten, Pollenfallen, AS-Dispenser, Bienenbürsten, Handschuhe und Wabenknechte aus Holz. Darüber hinaus kann der Bieneninspektor vor Ort entscheiden, ob weiteres Material vernichtet werden muss.

Selbstverständlich kann kein Honig mehr aus den betroffenen Völkern verwendet werden. Die Brut, der Pollen und der Honig wurde in der Regel teilweise vom Beutenkäfer und seinen Larven aufgefressen, der Honig ist gegoren und damit verdorben. Spätestens hier wird klar, dass der Befall mit dem Beutenkäfer einen grossen wirtschaftlichen Schaden für den Imker bedeutet. Ob für Volksverluste infolge eines Beutenkäfer-Befalls die Seuchenkasse aufkommt, und ob hierfür höhere Entschädigungen geleistet werden, das ist noch nicht klar. 

Rodungsarbeiten
Bei einem Befall mit dem Kleinen Beutenkäfer muss sich der Imker sogar auf noch weiter gehende Massnahmen einstellen als bei einem Sauerbrutbefall. Nicht nur das Bienenhaus und die Gerätschaften, sondern alle Räumlichkeiten eines befallenen Imkerbetriebs (auch Schleuder- und Lagerraum, Wachsschmelzraum, die Honigschleuder und ein Wachsschmelzer) müssen nach den Anweisungen des Bieneninspektors gereinigt und entseucht werden.

Und auch der Boden in der Umgebung des verseuchten Bienenstandes ist betroffen. Dafür sind alle Pflanzen in einem Streifen von mindestens einem Meter um einen Stand zu entfernen und der Boden mit einem Insektizid zu behandeln. Es ist bekannt, dass sich die Larven des Beutenkäfers auf die Erde fallen lassen und im Boden eingraben, wo sie sich verpuppen.

Schutz- und Überwachungszonen kennen Imker bereits von der Sauer- und Faulbrut.
Beim Befall mit dem Kleinen Beutenkäfer werden diese auch einen Umkreis von 3km (Schutzzone) und 10 km (Überwachungszone) betragen. In der Schutzzone werden alle Bienenvölker binnen 30 Tagen kontrolliert und - wenn nichts gefunden wurde - Beutenkäfer-Fallen aufgestellt. Im Frühjahr nach dem Befall sind sämtliche Bienenstände erneut durch den Inspektor zu kontrollieren.
In der Überwachungszone wird mindestens eine Stichprobe von einem Drittel aller Stände kontrolliert und mit Fallen präpariert.
Vorgeschrieben ist auch, dass alle Fallen, in der Saison (März bis Oktober) mindestens alle zwei Wochen kontrolliert werden müssen. Das wird Aufgabe des Imkers sein, der darüber auch ein detailliertes Überwachungsprotokoll zu führen hat (Ziffer 28 der Technischen Weisung).

Heilsprediger
Ganz unvermeidlich werden auch im Fall des Beutenkäfers wieder die üblichen "Hilfsmittel" und "Wissensträger" am Markt auftreten, die ganz genau wissen, warum der Beutenkäfer bei uns angekommnen ist, und vor allem, wie man ihn wirksam bekämpft. Es werden Methoden und Mittel propagiert werden, die noch kein Bienenforscher überprüft hat, die aber aus den verschiedensten Gründen DAS BESTE sind, was aber durch die etablierte Forschung aus Böswilligkeit oder Dummheit unterdrückt wird. Wieder wird jeder Imker für sich selbst entscheiden müssen, welchen Weg er geht, um seine Völker zu retten.

Fazit

Sollte der Kleine Beutenkäfer jemals in unseren Breiten auftreten, wird er zu einem neuen Motivationstest für Imker werden.
Nach einem Befall kann der Imker ohne Bienen zurückbleiben, denn der Schädling hat eine grosse Vermehrungsrate. Er frisst ausserdem Honig, Bienenbrut und hinterlässt Bakterien, die vorhandenen Honig in Gärung bringen.
Neben dem grossen wirtschaftlichen Schaden muss der Imker neues Material einkaufen, neue Bienenvölker aufbauen und hat einen Stapel zusätzliche Arbeit am Hals.

Es sieht so aus, dass Kantonstierarzt und Bieneninspektor beim Beutenkäfer einen gewissen Spielraum bei der Beurteilung der Situation vor Ort haben. Grund genug für Imker, die Beziehungen zu den Exponenten der Behörden nicht von der eigenen Seite aus z.B. durch aufsässiges Verhalten zu belasten.

Ein kleiner Trost ist, dass ein in Frankreich aufgetretener Beutenkäfer-Verdachtsfall sich nicht bestätigt hat. In Süditalien sind bis Ende Juli keine weiteren Fälle bekannt geworden. Mut macht auch die Nachricht, dass der Schädling in Portugal offensichtlich wieder zurückgedrängt werden konnte und man inzwischen davon ausgeht, dass er dort momentan als ausgerottet gelten kann.

Es bleibt die Hoffnung, dass die Schweizer Bienenzüchter die Einsicht und Disziplin aufbringen werden, alle empfohlenen Massnahmen konsequent durchzuführen, wenn es eines Tages notwendig werden sollte. Denn gegen den Beutenkäfer werden nur gemeinsame, laufend und konsequent durchgeführte Massnahmen helfen.


Mehr dazu...

- Tierseuchenverordnung (TSV), Stand am 1. Januar 2016 (PDF)
 
- Technische Weisungen "Kleiner Beutenkäfer" (PDF)

- Informationsseite des Bienengesundheitsdienstes zum Kleinen Beutenkäfer (Merkblätter, Bestimmungshilfen etc.)